Bottrop verliert Vorreiter-Rolle beim Klimaschutz

Bottrop verliert Vorreiter-Rolle beim Klimaschutz

In Baku tagt die 29. Weltklimakonferenz – durch die politische und mediale Welt kaum beachtet – und ist kurz davor, erneut keinen Durchbruch vermelden zu können.

Währenddessen möchte sich die Stadt Bottrop eine Strategie geben, um das ambitionierte Ziel der Klimaneutralität zu erreichen. Der sogenannte “Masterplan Klimastadt” soll am 19.11. im Rat beschlossen werden. Er soll alle Maßnahmen enthalten, die auf dem Weg dorthin notwendig sind.

Doch daran haben die Bottroper Sozialistinnen und Sozialisten Zweifel. Denn zu den über 30 Maßnahmen, die bisher noch wenig konkret sind, gibt es keine Daten über das tatsächliche Einsparpotenzial von Emissionen.

Zumal für den Sektor Verkehr, der für Bottrop als extrem wichtig und bisher vernachlässigt in Sachen Klimaschutz gilt, ein wesentlicher Bestandteil fehlt: Der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. Hier soll im Gegenteil sogar noch bis 2034 erheblich gekürzt werden. So sieht es das Haushaltssicherungskonzept vor. Ebenfalls darin enthalten: Eine Stelle, die eigentlich geschaffen werden sollte, um die Klimaschutz-Maßnahmen zu koordinieren, wurde noch vor der Einrichtung wieder gestrichen. Als Folge wurde auch das Zieljahr 2035 aufgegeben und durch 2045 ersetzt.

“Fridays For Future”-Aktivist Sven Hermens hatte 2019 die Klimaproteste in Bottrop organisiert, die darin mündeten, dass der Stadtrat den “Klimanotstand” ausgerufen hatte.

Der heutige Sprecher von BOT.Sozial geht hart mit dem Masterplan ins Gericht und spottet: “Es hat zwar ganze fünfeinhalb Jahre gedauert und man hat inzwischen das Klimaziel 2035 über den Haufen geworfen, aber dafür haben wir immerhin einen Plan bekommen, in dem die vermutlich wichtigste Maßnahme fehlt – die Verkehrswende. Noch dazu mit einer Liste von Maßnahmen, die CDU und SPD ohnehin nicht (zeitnah) umsetzen werden. Sinnvoll ist immerhin, dass bisher keine konkreten Einsparpotenziale berechnet wurden. Ansonsten könnte ja jeder gleich sehen, dass mit den bisherigen Überlegungen keine Klimaneutralität zu machen ist.”

Die Ratsgruppe BOT.Sozial fordert nun, dringend Maßnahmen zur Verkehrswende zu ergänzen und die übrigen Maßnahmen nachzuschärfen, sodass das Klimaziel realistisch erreicht werden kann. Am Ziel von 2035 wollen die Sozialisten unbedingt festhalten; zur Kommunalwahl hatten sie sogar das Jahr 2028 gefordert.

Auch sieht Hermens das Land NRW in der Pflicht. Klimaschutz ist in NRW nämlich eine rein freiwillige Aufgabe für die Kommunen. Da bei allem, was keine Pflicht ist, gespart werden muss, wenn eine Kommune rote Zahlen schreibt, verschiebt sich somit die Bottroper Klimaneutralität um zehn Jahre.

Dazu Hermens: “Klimaschutz muss Pflichtaufgabe sein. Jeder Tag, an dem das nicht so ist und folglich die Finanzierung von Klimaschutz nicht gewährleistet ist, erhöht weiter die Schwere und Häufigkeit von Klimafolgen, die uns treffen werden. Das bisherige Vorgehen von Schwarz-Grün und deren Vorgängern in Düsseldorf ergibt weder klima- noch finanzpolitisch einen Sinn. Bottrop wird seine Rolle als Vorbild in Deutschland verlieren, so wie Deutschland für den Rest der Welt kaum noch ein Vorbild sein wird, wenn die Schuldenbremse weiter steht. Damit rücken alle globalen Ziele in noch weitere Ferne als ohnehin schon. Klimaschutz ist immer auch eine Verteilungsfrage: Ohne massive Besteuerung von großen Vermögen und Erbschaften können Ausgaben für das Klima nur zulasten anderer Projekte gehen. Ohne Umverteilung im großen Stil kann es keinen wirksamen Klimaschutz geben. Die jährliche Billion Euro, die die Länder des globalen Südens bräuchten, um dort die Folgen unseres Handelns zu bekämpfen, beweist das eindrücklich. Leider sind die Schwere und die Irreversibilität der Folgen der bisherigen Untätigkeit in großen Teilen der Mehrheitsfraktionen in Rat, Landtag und Bundestag offenbar immer noch nicht begriffen worden.”

Auch an Oberbürgermeister Bernd Tischler üben die Sozialisten Kritik. Bei “Fridays For Future” bekräftigte Tischler 2019, Klimaschutz sei für ihn ein Herzensthema und genösse höchste Priorität. Zum Masterplan Klimastadt gab es bisher keine Äußerung von Tischler und schon gar keine Selbstkritik.

“Das Schweigen von Bernd Tischler zur Verschiebung seiner eigenen Klimaziele enttäuscht mich zutiefst. Erneut würde ich ihn nicht zu einer Klimademo als Redner einladen wie 2019, denn seine Versprechen in Taten umzusetzen, hatte er offenbar leider nie vor. Ich erwarte sowohl vom aktuellen als auch vom zukünftigen Oberbürgermeister ein Bekenntnis zum Klimaziel 2035 und ein entschiedenes Auftreten in Sachen Klimaschutz, insbesondere gegenüber dem Land NRW mit Blick auf die Kommunalfinanzierung,” so Hermens.

Ratsrede zur Ausweisung der Schöttelheide als Naturschutzgebiet (von Ratsherr Sven Hermens)

Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren,

wie schon in der letzten Ratssitzung, wo die Schöttelheide und die Ausweisung als Naturschutzgebiet Thema waren, werden wir uns hierzu enthalten.

Ich kann dabei im Wesentlichen auf die sehr gute Stellungnahme des RVR verweisen, die sich kritisch damit auseinandersetzt. 

Ich bin der Meinung, Energiewende (also Klimaschutz) und Naturschutz müssen Hand in Hand gehen und das geht auch.

Der RVR schreibt:

“Aus Sicht des RVR bestehen Bedenken gegen die Ausweisung als Naturschutzgebiet. Der RVR beabsichtigt den Ausbau der erneuerbaren Energien auf der Halde Schöttelheide im Einklang mit einer Aufwertung des Areals zur Stärkung der Artenvielfalt und der Natur. Die Ausweisung als Naturschutzgebiet steht daher nicht im Einklang mit den Interessen des RVR und seinen gesetzlichen Aufgaben.”

und weiter:

“Insbesondere ergeben sich nach hiesiger Einschätzung sehr gute Möglichkeiten, die Zielsetzungen der Unterschutzstellung auch in Verbindung mit der Errichtung von Windenergieanlagen zu erreichen. Der Flächenbedarf von Windenergieanlagen ist im Vergleich zur Gesamtfläche des Haldenkörpers untergeordnet und durch die Errichtung von Windenergieanlagen wird auch der Schutzzweck der Unterschutzstellung nicht untergraben. Vielmehr könnte gerade die Errichtung von Windenergieanlagen eine dauerhafte Freihaltung und Pflege der Flächen begünstigen, sodass betriebliche und naturschutzfachliche Belange hier sehr positiv ineinandergreifen könnten. Der Planungsraum unterliegt überdies bereits einem Schutzstatus mit Auswirkungen auf mögliche Entwicklungs-, Pflege- und Erschließungsmaßnahmen.”

Das klingt für mich, als sollte man auf jeden Fall versuchen, beides – Windenergie und Naturschutz – gemeinsam zu realisieren.

Aber nun schreibt der RVR weiter:

“Die Ausweisung als Naturschutzgebiet bedeutet jedoch, dass bestimmte Nutzungen und Aktivitäten auf dem Gelände eingeschränkt oder sogar untersagt werden, um die in der Bergbaufolgelandschaft entstehende Umgebung, die darin sich transformierenden Ökosysteme und ihre Tier- und Pflanzenwelt zu schützen, ohne dass solche Synergiepotenziale gehoben werden könnten.”

Und da frage ich mich, warum sollten wir auf diese Synergiepotenziale verzichten?

und weiter heißt es:

“Wir weisen darauf hin, dass die Errichtung von Erneuerbare-Energien-Erzeugungsanlagen und die Bereitstellung von Flächen hierfür in besonderem Maße gesetzlich priorisiert worden ist und mit einem überragenden öffentlichen Interesse hinterlegt wurde.”

Demnach bin ich nicht sicher, ob wir dieses Vorhaben in dieser Form so weiterführen sollten, oder ob es nicht bessere Wege gibt.

Naturschutz schön und gut, aber das scheinen mir alles gute Gründe zu sein, hier nicht so zu beschließen und das Verfahren in dieser Form erst einmal nicht weiterzuführen. 

Wir werden uns enthalten.

Vielen Dank.