Ratsrede zum Entwurf des Schulentwicklungsplans (von Ratsherr Sven Hermens)

Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren,

wir können dem vorliegenden Entwurf nicht zustimmen. Diese Schulentwicklungsplanung hat gravierende Mängel. Erlauben Sie mir, die wesentlichen Kritikpunkte in der gebotenen Kürze vorzustellen. 

Erstens: Das ganze Verfahren war – lyrisch ausgedrückt – steinig und schwer. Und auch in etwa so transparent wie ein Stein. Es fehlten bis heute morgen die Protokolle aus den Schulausschuss-Sitzungen seit Februar. Wenn der Ausschuss Informationen angefordert hat, kamen sie entweder gar nicht, oder nur auf erneute Nachfrage und dann wenige Minuten vor der nächsten Sitzung. Und so richtig gut mitgenommen gefühlt hat sich die ein oder andere Schulleitung auch nicht.

Zweitens: Mit dem Unternehmen biregio als Berater wurde eine kolossale Fehlentscheidung getroffen. Eine kleine Auswahl:

Als die Ergebnisse der Begehungen in den Schulen uns im Ausschuss vorgestellt wurden, erwiderten einige Schulleiter, die Berechnungen hätten nichts mit ihrer Realität an den Schulen zu tun.

Als Strategie, um dem niedrigen Frauenanteil in den MINT Berufen am Berufskolleg zu begegnen, will biregio gezielt “Frauenberufe” anbieten in einem zusätzlichen Bildungsgang.

Zur Zukunft der Janusz-Korczak Gesamtschule hat biregio in drei Sitzungen drei verschiedene Szenarien propagiert. Von Schließung über Zusammenlegung bis hin zum Zubau.

Als letztlich eine Gesamtliste mit Maßnahmen beschlossen werden sollte, waren die Vorschläge von biregio so realitätsfern, dass die Schulverwaltung noch schnell eine eigene zweite Variante erarbeiten musste, die wir auch letztlich beschlossen haben. 

Dieser Schulentwicklungsplan sieht auch schlichtweg ein bisschen peinlich aus, wenn man ihn neben andere SEPs anderer Städte liegt. Denn statt einer gutachterlichen Aufarbeitung der Datenlage, bekommen wir reihenweise persönliche Meinungen präsentiert.

Aus der politischen Debatte, die wir geführt haben, werden selektiv Punkte herausgezogen, die offenbar die eigene Haltung stärken sollen. Was beispielsweise das Berufskolleg angeht, werden wir von diesem SEP dazu ermahnt, wir sollten diese Debatte nicht verengt führen.

Eine andere Debatte, die wir geführt haben, nämlich ob es nicht sinnig wäre, die Sekundarschule perspektivisch zu einer Gesamtschule aufzuwerten, taucht hingegen gar nicht erst auf. Nicht einmal, dass darüber gesprochen worden ist.

Insgesamt also einfach unprofessionell und insofern bin ich froh, wenn die Verwaltung sagt, dass wir uns zukünftig nicht nur engmaschiger damit beschäftigen, sondern es auch im eigenen Haus passieren wird; man also biregio nicht mehr beauftragen will.

Dritter Kritikpunkt: Es fehlt eine Perspektive für die Inklusion. Es ist richtig, dass die Rahmenbedingungen nicht hergeben, einfach von heute auf morgen alle Kinder aus den Förderschulen in die Regelschulen zu überführen. Aber dass nicht einmal der Versuch unternommen wird, zu skizzieren, was für die nächsten Jahre nötig wäre, damit wir das Menschenrecht auf inklusive Bildung irgendwann einhalten können, ist einfach zu wenig.

Viertens: Eine Erweiterung des Berufskollegs ist auf jeden Fall nötig. Es braucht mehr Räume. Warum Verwaltung und biregio die aber unbedingt an einem Nebenstandort in Welheim haben wollen, während eine Erweiterung im Bestand nicht nur möglich, sondern auch eindrücklich von der Schule gewünscht ist, erschließt sich mir nicht. Wir haben wirklich nicht genügend Lehrkräfte, um sie ständig noch zwischen Stadtmitte und Welheim pendeln zu lassen.
Ich bin außerdem auch dafür, weitere Bildungsgänge einzurichten. Leider schaffen es die über 300 Seiten an Zahlen und Tabellen nicht, aufzuzeigen, für welche Fachrichtungen überhaupt Bedarf besteht. Für welche Ausbildungen müssen Bottroper Azubis am weitesten pendeln? Welche Angebote und Bedarfe gibt es regional in den Nachbarstädten? Für welche Bildungsgänge braucht man neue Kapazitäten, und für welche gibt es erst einmal noch genug? Auf das alles gibt dieser SEP keine Antworten. Lediglich den Rückschluss zu ziehen: Niedriger Frauenanteil, also mehr Berufe, die klassischerweise von Frauen gewählt werden; das ist doch wirklich unterkomplex.

Was auch schmerzlich fehlt, sind Zahlen dazu, wie eigentlich die weiterführenden Schulen in Bottrop verteilt sind. Dass also der gesamte Bottroper Süden keine mehr hat.

Das bringt mich zum fünften Punkt, der neuen dritten Gesamtschule.

Ersteinmal bin ich ja froh, dass wir uns darauf einigen konnten, dass es in Bottrop eine dritte Gesamtschule braucht und dass Welheim als Standort in die engste Auswahl gekommen ist. Warum Verwaltung und biregio derart den Standort Passstraße bevorzugen, ist mir allerdings ein Rätsel. Eigentlich sprechen alle guten Gründe für Welheim:

  • Es gibt bereits ein Schulgebäude, es muss weniger neu gebaut werden und ist günstiger
  • Wenn es im ganzen Süden keine weiterführende Schule gibt, verstärkt das soziale Ungerechtigkeit durch längere Pendelzeiten und damit weniger Freizeit
  • Der Stadtteil Welheim profitiert von der Belebung. Z.B. könnte es sich wieder für einen Bäcker lohnen, sich in der Nähe anzusiedeln

Dann gibt es ja die Kritik, die Hauptschule am Standort Welheim sei ja auch gescheitert.

Zum einen liegt das vor allem daran, dass das Modell Hauptschule schlichtweg gescheitert ist – überall.

Und zum anderen wird man natürlich diese neue Schule so modern und gut ausstatten müssen, dass viele Eltern ihre Kinder gerne dort anmelden wollen.

Unseren Vorschlag einer Lösung mit einem Hauptstandort in Passstraße und einem Teilstandort in Welheim, um die Vorteile beider Flächen ausnutzen zu können, wollte die Verwaltung leider auch nicht prüfen.

Trotz der eindeutigen Sachlage für den Standort Welheim wird die Standortentscheidung übermäßig davon abhängig gemacht, was Eltern in einem unverbindlichen Fragebogen ankreuzen. Noch dazu Eltern der ersten und zweiten Klassen, die mitnichten wissen können, ob und, wenn ja, auf welche Gesamtschule ihr Kind in 3 Jahren gehen soll.

Wäre es nicht auch am Ende viel naheliegender, Räume für das Berufskolleg an der Passstraße zu schaffen, wenn es am Bestand nicht mehr geht, und die Gesamtschule in Welheim zu bauen, statt umgekehrt?

Letztlich muss man auch feststellen: Diese Entwicklungsplanung versucht, Schadensbegrenzung zu betreiben und stellt keinen Zukunftsplan mit Perspektiven für Entwicklungen dar. Das liegt auch daran, dass einfach zu spät angefangen wurde. Das Thema wurde zu lange verschleppt. Unter anderem durch den ehemaligen Schuldezernenten. Mit dieser Kurzfristigkeit wird auch oft seitens der Verwaltung ein Zeitdruck erklärt, der so manche Fehler schon rechtfertigen sollte.

Zumindest in dem Punkt, dass es im Bottroper Süden, genauer am Standort der Hauptschule Welheim, eine Gesamtschule geben muss, hätten wir schon längst fertig sein können. Diese Idee liegt seit mindestens 5 Jahren auf dem Tisch und steht exakt so in unserem Wahlprogramm von 2020. Manchmal stellt es sich eben als Fehler heraus, gute Vorschläge aus der Opposition nicht umzusetzen.

Abschließend muss ich feststellen: Dieser Entwurf hat so viele Fehler, dass wir nicht zustimmen können, ihn so für Stellungnahmen vorzulegen. 

Ich möchte mich außerdem sehr dafür aussprechen, dass an der Schulentwicklungsplanung auch das Jugendparlament zu beteiligen ist. Ich möchte eine aktive Beteiligung der Schülerinnen und Schüler daran, wie sie sich für die Zukunft eine gerechtere Schullandschaft in Bottrop vorstellen. Warum man das nicht vorsieht, ist mir schleierhaft.

Auch sollte sich der Beirat für Menschen mit Behinderungen hinsichtlich der fehlenden Perspektive für Inklusion auch mit diesem Plan befassen.

BOT.Sozial lehnt diesen Entwurf ab.

Herzlichen Dank.